Anton Prock - 2013
Das Leben der Schiffsleute früher
Heute ist was los beim Inn,
ein Schiffszug legt in
unserer Stadt an. Peter,
Klaus, Stefan und ich
rennen hinunter zum
Wasser. Da müssen wir
dabei sein! Wir schauen
einige Zeit zu, dann sagt
einer der Männer zu uns:
"Kommt her, Kinder, setzt
euch zu mir. Ich möchte
euch einiges über die
Innschifffahrt erzählen,"
sagte Johann Mentl, als er
auch die anderen Kinder sieht, die ans Ufer gekommen sind, um seinen Schiffszug
anzusehen.
"Wie ihr seht, ist hier viel los. Dort drüben stehen 32 Pferde und 27 Männer. Die Pferde
gehen entlang des Ufers und ziehen die Schiffe innaufwärts. Entweder sie gehen im
Wasser oder entlang des Ufers. Den Uferweg nennt man Treidlfpad. Die Männer müssen
die Pferde führen und dabei sehr aufmerksam sein. Ah, da kommt gerade Ferdinand, er
ist unser Stangenreiter. Ferdinand, komm doch bitte kurz her und erzähle den Kindern
über deine Tätigkeit."
Ferdinand war ein kräftig gewachsener
Bursche mit einem schwarzen
Schnurrbart. "Hallo, Kinder," begrüßt er
uns. "Ja, ihr seht die lange Stange dort
drüben? Ich muss vorausreiten und mit
dieser Stange genau die Flusstiefe
ausmessen. Oft kann es vorkommen,
dass plötzlich Untiefen vorhanden sind,
dann würden die Pferde untertauchen
und den Boden unter den Füßen
verlieren. Sofort würden dann Pferde
und Schiffe abgetrieben. Aber jetzt
muss ich wieder zu meinen Pferden. Macht's gut!"- "Vielen Dank und alles Gute!" rufen
wir ihm zu.
Johann Mentl erzählt weiter. "Meist übernachten wir am Ufer oder in den Innauen, es ist
ja die warme Jahreszeit. Jeden Morgen um 4.30 Uhr beginnt unsere Arbeit. Zuerst
müssen die Pferde gefüttert und gesattelt werden. Dann werden unsere Zelte, Decken,
das Pferdefutter und alles andere, das wir am Ufer benötigen, wieder auf die Schiffe
verladen. Wenn wir das Ufer wechseln müssen, schwimmen die Pferde hinüber oder
werden auf eigenen Pferdezillen ans andere Ufer transportiert. Dabei stehen sie zu acht
mit dem Kopf in diese Richtung und zu acht mit dem Kopf in jene Richtung, um das
Gleichgewicht zu halten. Gar nicht leicht, die Pferde zu bändigen. Oft ist es sehr
gefährlich. Brücken, Untiefen, Strudel, Strömungen und Sandbänke machen uns das
Leben meist schwer."
"Da sind aber viele Schiffe. Werden die alle von den Pferden gezogen?" wollte Stefan
wissen.
"Ja. Das große Hauptschiff wird Hohenau genannt. Von ihr aus seht ihr die schwere
Eisenkette, die zum Ufer reicht. An dieser Kette werden die Spannseile für die Pferde
gebunden. Die zwei größeren Nebenschiffe sind mit der Hohenau durch mächtige Seile
verbunden. Es gibt eigene Männer, die dafür sorgen, dass diese Seile nicht ins Wasser
tauchen oder an einem Hindernis hängen bleiben. Seitlich oder hinter diesen
Nebenschiffen hängen noch andere kleinere Schiffe, so zum Beispiel die Kuchelzille, auf
der gekocht wird, die Rossplätten und die Seilplätten. Plätten sind niedere flache Boote.
Ihr könnt euch vorstellen, dass wir in einem Tag nicht weit kommen."
"Was transportiert ihr denn heute?" fragt Klaus.
"Auf der Hohenau ist es Getreide
aus Bayern, auf den anderen
beiden Schiffen Fett und Fleisch
aus Ungarn. Unsere Lieferung geht
bis Hall. Innabwärts nehmen wir
dann Wein und Südfrüchte aus
Italien, Salz aus Hall und
Zementfässer mit."
"Wenn es gefährlich wird, wie du
gesagt hast, könnt ihr doch einfach
ins Wasser springen." sagte ich zu
Johann.
"Damit ist nichts, wir können ja gar nicht schwimmen, dürfen es sogar nicht können.
Außerdem würde es uns der Flussgott nie verzeihen, wenn wir ins Wasser fielen und
gerettet würden. Denn alles, das in den Fluss fällt, gehört dem Flussgott. Wir müssen ihn
bei Laune halten, damit er uns wohl gesinnt ist. Sonst bringt er neue Strudel und
reißende Wasser.
So, Kinder, jetzt habt ihr einiges über meinen Beruf gehört. Ich muss jetzt zu den Pferden
und ihr Geschirr überprüfen, dann geht es wieder los. Hoffentlich regnet es nicht!
Wenigstens ist es warm. Vielleicht sehen wir uns einmal wieder. Alles Gute!"
"Alles Gute!" antworten wir und schauen zu, wie sich der Schiffszug langsam in
Bewegung setzt.